Wasserstoff – interessanter Energieträger
Sattec entwickelt Dichtungen für zukünftige Anwendungen
Wasserstoff kann einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten – als Kraftstoff für Autos, als Rohstoff für die Industrie oder als Brennstoff für Heizungen. Als vielseitiger Energieträger ist er in allen Sektoren einsetzbar und übernimmt somit eine Schlüsselfunktion in der Energiewende. Im Rahmen des European Green Deals wurden zudem die Voraussetzungen für den sogenannten grünen Übergang im Gassektor geschaffen und die Verwendung sauberer Gase, wie z. B. Wasserstoff, werden gefördert [1].
Die besonderen Eigenschaften dieses Gases haben es zu einem der interessantesten neuen Energieträger gemacht und seine wirtschaftliche Bedeutung könnte in den nächsten Jahrzehnten sogar mit denen des Erdöls oder des Erdgases vergleichbar sein, allerdings ohne die bekannten negativen Folgen für die Umwelt.
Eigenschaften von Wasserstoff
Wasserstoff ist das am häufigsten vorkommende Element im Universum. So bestehen z. B. 75 % der Sonnenmasse aus Wasserstoff [2]. Wasserstoff kommt auch auf der Erde häufig vor, allerdings nicht in „reiner“ Form als H2. Sobald er freigesetzt wird, finden seine Atome sofort ein anderes Element, mit dem sie sich zu einem Molekül verbinden können: Zwei Wasserstoffatome, die sich mit einem Sauerstoffatom verbinden, bilden zum Beispiel Wasser (H2O), vier Wasserstoffatome, die sich mit einem Kohlenstoffatom verbinden, ergeben Methan (CH₄), und so weiter, für unendlich viele Kombinationen, bis immer komplexere Moleküle entstehen. Aufgrund seiner geringen Größe – Wasserstoff hat die Ordnungszahl 1 und steht im Periodensystem in der 1. Periode – besitzt Wasserstoff auch das höchste Diffusionsvermögen. Hierdurch ergeben sich technische Herausforderungen beim Transport und bei der Lagerung von Wasserstoff.
Wasserstoffgewinnung
Auch aufgrund seiner unterschiedlichen Bindungsformen wird Wasserstoff auf unterschiedliche Arten gewonnen. Zur besseren Unterscheidung werden den Arten der Wasserstoffgewinnung unterschiedliche Farben zugeordnet. So
unterscheidet man zwischen grünem, türkisem, grauem und blauem Wasserstoff.
- Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse (Aufspaltung von Wasser in seine Komponenten Sauerstoff und Wasserstoff) hergestellt. Erneuerbare Energiequellen, wie Windkraft, Wasserkraft oder Sonnenenergie, liefern den dafür benötigten Strom (Power-to-Gas-Technologie). Damit ist die Herstellung von grünem Wasserstoff CO2-neutral, derzeit allerdings noch mit hohem Energieaufwand verbunden. In Deutschland gibt es momentan bereits 40 Anlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff (sog. Elektrolyseure) [3].
- Türkiser Wasserstoff ist das Produkt von Methanpyrolyse. Dabei wird das Methan im Erdgas in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten. Fester Kohlenstoff ist ein Granulat, das zum Beispiel in alten Bergwerksstollen sicher gelagert und später wiederverwendet werden kann. Dadurch gelangt kein CO2 in die Atmosphäre. Wenn die zur Methanpyrolyse benötigte Energie aus erneuerbaren Energien stammt, ist die Erzeugung von türkisem Wasserstoff klimaneutral.
- Grauer Wasserstoff wird durch die Dampfreformierung fossiler Brennstoffe, wie Erdgas, Kohle oder Öl, erzeugt. Dabei entsteht als Abfallprodukt CO2, das in die Atmosphäre abgegeben wird. Grauer Wasserstoff ist daher nicht klimaneutral.
- Blauer Wasserstoff entsteht wie grauer Wasserstoff, ebenfalls durch Dampfreformierung, allerdings wird das entstandene CO2 danach unterirdisch gelagert (CCS-Technik – Carbon Capture and Storage, dt.: Kohlenstoffabscheidung und -speicherung). Es gelangt somit nicht in die Atmosphäre und ist damit ebenfalls klimaneutral.
Eine mehr produktionsbezogene Bezeichnung der Wasserstoffarten kann der Mitteilung der Europäischen Kommission entnommen werden [4]. Der grüne Wasserstoff nach [3] entspricht in etwa dem „Erneuerbaren Wasserstoff“ gemäß Definition in [4].
Erneuerbarer Wasserstoff ist der Einzige, der zwei wichtige Vorteile miteinander verbindet:
- Zur Herstellung werden klima-neutrale und erneuerbare Energiequellen und nicht fossile Brennstoffe eingesetzt.
- Bei der Verwendung entstehen „Null CO2-Emissionen“; so wird bei der Verbrennung lediglich Wasserdampf in die Luft abgegeben.
Dieser vollkommen „grüne“ Prozess ist ein Schlüsselelement, um alle Ressourcen mit den Plänen zur Dekarbonisierung in Einklang zu bringen.
Wasserstoffstrategien
Bereits im Jahr 2020 veröffentlichte die Europäische Kommission in einer Mitteilung vom 08.07.2020 „Eine Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa“. Priorität hat für die EU die Entwicklung von erneuerbarem Wasserstoff, der hauptsächlich mit Wind- und Sonnenenergie hergestellt wird. Erneuerbarer Wasserstoff ist die Option, die langfristig am besten mit dem Klimaneutralitätsziel der EU und dem Null-Schadstoff-Ziel sowie einem integrierten Energiesystem vereinbar ist [4] mit dem Ziel, bis 2050 „kohlenstoffneutral“ zu werden.
Infolge der Energiekrise, der Suche nach erneuerbaren Energiequellen und der Ziele zur Verringerung der CO2-Emissionen, entwickeln alle europäischen Länder Strategien und Technologien, um die Verwendung von Wasserstoff als alternative Energiequelle zu Erdgas/Erdöl voranzutreiben. Entwickelt werden beispielweise:
- Gas-Mikroturbinen zur Stromerzeugung, die mit einer Mischung aus Methan und Wasserstoff betrieben werden,
- PKW-Motoren, die mit einem Gemisch aus Wasserstoff und Methan angetrieben werden, wobei die gleiche Motorenkonstruktion verwendet wird und die gleiche Leistung und Effizienz bei geringeren CO2-Emissionen im Vergleich zu Erdgas und Diesel gewährleistet ist (-10 % im Vergleich zu Erdgas und -20 % im Vergleich zu Diesel),
- Wasserstoffheizkessel für den Hausgebrauch, die ohne Anschluss an externe Energiequellen Strom, Warmwasser und Heizung erzeugen können, ohne Abgase oder Abfälle in die Umwelt abzugeben, was zu 0 % CO2-Emissionen führt.
Eigenschaften generieren Herausforderungen
Natürlich gibt es technische Herausforderungen, die sich aus der Verwendung von Wasserstoff ergeben. Relevante Eigenschaften sind:
-
die aufgrund der geringen Größe seines Moleküls hohe Neigung zum Entweichen aus Systemen (Diffusion), die für den Transport und die Speicherung von Wasserstoff relevant ist,
-
die Tendenz, mit Werkstoffen zu interagieren und sie zu schwächen,
-
die hohe Entflammbarkeit, die weit über der von Erdgas oder Flüssiggas liegt.
Diese Eigenschaften stellen eine Reihe von Herausforderungen für die Technologie, die Produktion, den Transport, die Verteilung und die Nutzung von Wasserstoff dar.
Es gibt eine Reihe von Hypothesen darüber, wie Wasserstoff für verschiedene Endanwendungen transportiert werden kann:
- Hypothese 1: Erzeugung von Strom und Weiterleitung an private, gewerbliche und industrielle Endverbraucher. Bei dieser Option entfallen die Kosten für den Wasserstofftransport, allerdings auf Kosten der Stromnetze, die bereits mit dem Transport immer größerer Mengen erneuerbarer Energien belastet sind.
- Hypothese 2: Wasserstoff direkt zu den Verbrauchern bringen. Diese Lösung hat keine Auswirkungen auf die Stromnetze, erfordert jedoch die Modernisierung der bestehenden Gasleitungen, um den Transport steigender Wasserstoffanteile zu ermöglichen.
Hypothese 2, bei der die bestehenden Gasnetze genutzt werden, könnte die Kosten für den Wasserstofftransport erheblich senken, und zwar sowohl im Hinblick auf geringere Investitionen in neue Pipelines als auch in die Modernisierung der Stromnetze.
Die bestehenden Verteilnetze für Gas in Deutschland wurden bereits auf ihre Verträglichkeit hinsichtlich der sukzessiven Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff überprüft. So sind beispielsweise die im deutschen Gasnetz verbauten Stahlrohrleitungen für den Transport von Wasserstoff geeignet. Sie weisen keine Unterschiede in Bezug auf die grundsätzliche Eignung für den Transport von Wasserstoff gegenüber Erdgas auf. Sowohl betriebsbedingte Alterung als auch die geforderte Bruchzähigkeit entsprechen den Erwartungen an eine Dekaden-überdauernde, sichere Verfügbarkeit (vgl. [5]).
Aber nicht nur die Wandungen von Gasrohren müssen hinsichtlich ihrer Einsetzbarkeit in zukünftigen Wasserstoffnetzen untersucht und bei Bedarf weiterentwickelt werden. In gleicher Weise gilt das auch für Elastomere Dichtungswerkstoffe und Dichtungen, z. B. für Flanschverbindungen oder in Armaturen:
- Es wird geschätzt, dass etwa dreimal so viel Wasserstoff aufgrund seiner geringen Dichte durch einen Leckpfad gleicher Größe „entweichen“ kann als Methan.
- Aufgrund der geringen Größe seines Moleküls hat Wasserstoff eine höhere und schnellere „Durchlässigkeit“ durch elastomere Materialien wie O-Ringe, Dichtungen, Membranen, … als andere Gase.
- Leckagen müssen in einem hochmodernen Labor bewertet und nach definierten Standards geprüft werden.
Entwicklung von Dichtungen für die Anwendung in Wasserstoffnetzen
Sattec produziert derzeit Gasdichtungen mit NBR-basierten Compounds, die die Anforderungen der EN 682 [6] und EN 549 [7] erfüllen. Das Unternehmen hat ein Programm zur Entwicklung von Verbindungen für Wasserstoffanwendungen aufgelegt. Dies geschieht auf Basis des Zertifizierungsprogramms ZP 5101 der DVGW CERT GmbH [8]. Gegenstand dieses Zertifizierungsprogramms sind Materialprüfungen an Elastomerwerkstoffen, die bereits nach EN 549 [7] beziehungsweise EN 682 [6] eine DIN-DVGW-Zertifizierung erhalten haben.
Mit ZP 5101 wird die Wasserstoffpermeabilität durch ein Druckanstiegsverfahren in Anlehnung an ISO 15105-1 bestimmt; mit diesem Test wird ein werkstoffcharakterisierender Koeffizient ermittelt. Das im ZP 5101 vorgestellte Verfahren liefert mit der H2-Permeabilität als Materialeigenschaft einen zusätzlichen technischen Kennwert, der es erlaubt, verschiedene Werkstoffe bezüglich der Permeation von Wasserstoff miteinander zu vergleichen. Damit unterstützt das ZP die Auswahl von Elastomer-Werkstoffen hinsichtlich ihres spezifischen Verhaltens für Wasserstoff-Anwendungen.
Bislang wurde noch kein Grenzwert für die Durchlässigkeit der in der Verbindung verwendeten Polymerbasis festgelegt. Betrachtet wird die technisch relevante H2-Permeation an Materialproben mit standardisierten Abmessungen. Ausgehend von der Permeabilität der NBR-Polymerbasis-Compounds und unter Berücksichtigung des funktionellen Bedarfs an Materialien mit höherer Wasserstoffpermeabilitätsbeständigkeit hat Sattec auch neue Formulierungen mit anderen Polymerbasen entwickelt.
Die Grafik zeigt die derzeit mit Sattec-Mischungen erzielten Durchlässigkeitswerte. Die Prüfung wird nach ZP 5101 bei 23 °C mit 100 % Wasserstoff durchgeführt.
Das Unternehmen wird die Entwicklung fortsetzen und über die neu erreichten Meilensteine berichten.
Autor:
Felice Pavan, SATTEC DBS gomma