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Technische Nutzungs- bzw. Lebensdauer von Dichtungen

Im Kontext mit den Anforderungen der Trinkwasserrichtlinie und den damit verbundenen nationalen und europäischen hygienischen Anforderungen an organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser wird nachfolgend auf das Langzeitverhalten elastomerer Dichtungswerkstoffe eingegangen.

Rohre und Rohrverbindungen in der Trinkwasserversorgung und -installation sind gemäß den Normen EN 805 und EN 806-2 für eine Lebensdauer von mindestens 50 Jahren zu planen. Legt man die Lebensdauer der Rohrsysteme bzw. der Rohrmaterialien zugrunde, muss das Verbindungssystem mindestens genauso lange funktionieren wie die Rohre selbst. Die technische Lebensdauer der Rohrverbindungen, also auch die der Dichtungen, bleiben bei dieser Betrachtung in der Regel unberücksichtigt.

Die Dichtung der Steckmuffen-Verbindungen als Herzstück im Rohrsystem sollte entsprechend der Nutzungsdauer der heutigen duktilen Gussrohrleitungen eine Lebensdauer von über 100 Jahren erreichen. Dies wird u. a. durch entsprechende physikalische Materialeigenschaften sichergestellt. Daneben muss die Dichtung auch allen trinkwasserhygienischen Anforderungen und Zulassungen entsprechen.

 

Anforderungen an das Elastomer für den Einsatz in Trinkwasser-Anwendungen

Unabhängig von den hygienischen und zulassungstechnischen Aspekten eines jeden Landes sind die Grundanforderungen einer Dichtung hinsichtlich der physikalischen Eigenschaften der Werkstoffe in der EN 681-1 (respektive der ISO 4633) geregelt.

Anforderungen an fertige Dichtungen sind in den einschlägigen Produkt- und Verbandsnormen sowie in Kundenspezifikationen definiert. Dabei hängt die Leistungsfähigkeit einer Rohrleitungsdichtung von den Werkstoffeigenschaften der Dichtung, der geometrischen Form der Dichtung und der Konstruktion der Rohrverbindung ab.

Der Werkstoff einer Dichtung, der Rezepturaufbau, sowie die Dichtung selbst, unterliegen den Anforderungen von Normen und Spezifikationen. Sie sind i.d.R. zertifiziert und besitzen alle erforderlichen Zeugnisse und Baumusterzertifikate, wobei das Langzeitverhalten aber nur am Rande bzw. überhaupt nicht bewertet wird.

 

Langzeitversuche und Messung des Druckverformungsrestes (DVR)

Ein wesentliches Kriterium für eine zuverlässige Aussage über die dauerhafte Dichtheit der Rohrverbindung ist der Druckverformungsrest (DVR). Er gibt Auskunft über die viskoelastischen Eigenschaften eines Dichtungswerkstoffes und wird nach Prüfverfahren ISO 815-1 oder ISO 815-2 gemessen.

EADIPS Dichtungen Darstellung DVR-Messung

Darstellung der DVR-Messung nach ISO 815-1 oder ISO 815-2 und Gleichung 1.

Instationäre Bodentemperatur

Instationäre Bodentemperatur über das Jahr. Die 2. Kurve (am Diagramm-Anfang) von oben ist die Temperaturmessung in einer Tiefe von 4 m. Daraus lässt sich das Zeit-Temperatur-Kollektiv über ein Jahr ableiten.

Im Rahmen der Vorhersage über das Langzeitverhalten von Dichtungen hat das Unternehmen Woco ein validiertes Rechenverfahren und eine Prüfmethode im Rahmen eines Forschungsprojekts mit dem DVGW entwickelt. Dieses Verfahren ist seit 2016 bereits in der DVGW Prüfgrundlage G 5406 verankert und wurde in den Normentwurf prEN 549 übernommen. Weitergehende Untersuchungen zeigen, dass die Methode auch grundsätzlich für Elastomerdichtungen in Wasseranwendungen geeignet und somit auch für TYTON®-Dichtungen einsetzbar ist, um Vergleichsmessungen an Wettbewerbsteilen durchzuführen oder um rechnerische Ableitungen des Langzeitverhaltens zu erhalten.

Die konkreten Ergebnisse und die Lebensdauer einer TYTON®-Dichtung/Woco-Seals-EPDM von Pipe System Components: Das Zeit Temperatur-Kollektiv ist eine wichtige Basis für die Lebensdauerbetrachtung. Einer Trinkwasserversorgungsleitung im Erdreich wird für die Berechnung ein Temperaturprofil für ein Jahr zugeordnet. Trinkwasserversorgungsleitungen liegen typischerweise in einer Tiefe von ca. 1,20 bis 2 m, also im oberflächennahen Bereich.

Die oberflächennahe Erdtemperatur wird durch das konkrete Klima an der Erdoberfläche, die Bodenzusammensetzung (thermische Leitfähigkeit) und die Tiefe bestimmt.       

Die Druckverformungsreste der TYTON®-Dichtung wurden für Temperaturen von 60 °C, 80 °C, und 100 °C gemessen, so dass für jede einzelne Temperatur mehrere Messwerte zwischen 20 % und 70 % DVR über einen Zeitraum von einem Jahr ermittelt wurden. Anschließend konnte mit dem Arrhenius-Verfahren die Lebensdauer berechnet werden, wobei ein Grenz-DVR von nur 55 % zugrunde gelegt wurde. In der Regel rechnet man mit ca. 70 % oder sogar noch höheren Grenzwerten, die dann wiederum die Lebensdauer positiv erhöhen würden. Es wurde also ein eher ungünstiger Wert für die Berechnung gewählt. Der Grenz-DVR gibt den Wert der elastischen Verformung oder Rückstellung an, der nach der errechneten Lebensdauer noch immer vorhanden ist! Hat also eine Dichtung nach „x“ Jahren noch einen kleinen DVR, so spiegelt dies ein hohes Qualitätsniveau der Dichtung und damit des Werkstoffs hinsichtlich des Rückstellverhaltens wider.

Die TYTON®-Dichtung aus dem Werkstoff Woco-Seals/EPDM hat in dem gewählten Temperatureinsatzbereich eine zu erwartende Lebensdauer von 164 Jahren bei einem Grenz-DVR von 55 %.

Autor: Rüdiger Werner, Woco IPS GmbH

 

Der Beitrag wurde von der Redaktion leicht gekürzt. Den kompletten Beitrag mit diversen Abbildungen finden Sie als PDF im Downloadbereich unter Downloads Jahreshefte EADIPS FGR.