Spektakuläre Rohrmontage in der Vertikalen

Ein langfristiges Projekt

Nach etwas mehr als einem Jahr Bauzeit konnte im September 2019 die neue Wasserkraftanlage im schweizerischen Finhaut in Betrieb genommen werden. Allerdings hat die Realisierung des Kleinstkraftwerkes Finhaut insgesamt von der Projektierung im Jahr 2008 bis zum ersten Spatenstich im Sommer 2018 zehn Jahre gedauert. Das Wasser von einem Bach und drei Quellen wurde zusammengefasst, um es in die Füllkammer des Kleinstkraftwerkes mit vorgeschaltetem Sandfang zu leiten.

Die Topographie des Standorts und die geologischen Verhältnisse haben es Ingenieuren und Technikern schwer gemacht: Der Hang ist extrem steil und der Platz für die Installation der gesamten Anlage, die auf Fels gebaut wurde, sehr eng.

2009 wurde in einem Teilstück der Straße zwischen Finhaut und Emosson im Kanton Wallis eine Trinkwasserleitung verlegt. In ihrem Graben hatte man zusätzlich ein Kunststoff-Leerrohr eingebaut, um später Wasser des Baches Le Besson und der Quellen von Finhaut für den Turbinenbau zur Stromgewinnung nutzen zu können.

In späteren Jahren ergaben verschiedene Machbarkeits- und Rentabilitätsstudien, dass mit Hilfe der örtlichen Gegebenheiten der Wasserdruck um 10 bar erhöht und damit eine Verdoppelung der Turbinenleistung erreicht werden könnte. Dafür musste allerdings das Turbinengebäude um ca. 200 m versetzt werden.

Komplexe Herausforderungen

Im Sommer 2018 konnte man endlich mit dem Bau der neuen Leitungen beginnen. Neben dem hohen Wasserdruck, dem die Leitungen standhalten mussten, stellten sich dann doch noch weitere bauliche Herausforderungen in den Weg, die es zu meistern galt: die offene Bachquerung, die Querung der Kantonsstraße und nicht zuletzt der komplexe Einbau der Rohre im untersten Bereich mit seinen fast senkrecht abfallenden Felswänden. Aus all diesen Gründen wurde ein Rohr gesucht, das nicht nur die hohen Wasserdrücke aufnehmen konnte, sondern auch leicht zu verlegen war. Das Kunststoffrohr kam hierfür definitiv nicht mehr in Frage.

Offene Bachquerung mit beidseitigen Widerlagern.

Offene Bachquerung mit beidseitigen Widerlagern.

Bauliche Herausforderung am Steilhang.

Voller Körpereinsatz in steilstem Gelände. Die BLS®-Verbindung von Hagenbucher nimmt die senkrecht wirkenden Zugkräfte problemlos auf. Die Rohre wurden per Helikopter angeflogen.

Rohre am Helikopter

Die Gruppe SEIC-Télédis, die für die Projektierung und Bauausführung verantwortlich zeichnete, entschied sich in dieser Ausgangslage für den Einsatz von duktilen Gussrohren DN 400 mit Zementmörtelumhüllung und BLS®-Steckmuffen-Verbindungen der Firma Hagenbucher. Mit duktilen Guss-Rohrsystemen hatte man bei ähnlich gelagerten Projekten mit senkrechten Felswänden sehr gute Erfahrungen gemacht, und ihr Einsatz hatte sich stets bewährt. Dank der unkomplizierten Montage war es möglich, die Rohre noch am Helikopter hängend schubgesichert zusammenzufügen.

Seit September 2019 produziert die Anlage Strom: Mit einer Leistung von rund 420 kW wird sie jährlich 1,2 GWh erzeugen, was den Bedarf von ca. 300 Haushalten abdeckt. Damit sind auch die Ziele der „Energiestrategie 2050“ erfüllt, die auf eine Steigerung der einheimischen Wasserkraftproduktion abzielt. Ein Projekt, das auch mit der Energiestrategie der Gemeinde Finhaut übereinstimmt. Als „nachhaltiges Dorf“ in der Mont-Blanc-Region arbeitet Finhaut an der Förderung erneuerbarer Energien.

Das Projekt in Zahlen

–  3 Mio. SF: Budget für den Bau
–  423 kW: Elektrische Leistung der Anlage
–  1,2 GWh: voraussichtliche jährliche Produktion
–  3.000 Haushalte: Stromabnehmer
–  186 m: Steilhanglage
–  425 m: Länge der Gussrohr-Druckleitung
–  2 Mio m³: Volumen der Turbine

Autor:
Marco Nussbaumer, TMH Hagenbucher AG

 

Der Beitrag wurde von der Redaktion leicht gekürzt. Den kompletten Beitrag mit diversen Abbildungen finden Sie als PDF im Downloadbereich unter Downloads Jahreshefte EADIPS FGR.