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Regionales Verbundsystem Westeifel

Nutzung von Synergien durch Mitverlegung

Eine sichere und moderne Trinkwasser-, Energie- und Telekommunikationsversorgung zu guten Konditionen, die gleichzeitig einen Beitrag zur Energiewende leistet: Kein geringeres Ziel setzt sich das Projekt „Regionales Verbundsystem Westeifel“, das die Kommunale Netze Eifel AöR (KNE) unter dem Dach der gemeinsam mit sieben kommunalen Partnern gegründeten Landwerke Eifel AöR (LWE) entwickelt haben und derzeit realisieren. Konkret heißt das: die sichere Versorgung mit unterirdischer Infrastruktur im ländlichen Raum erfolgt durch eine Verbundnetzlösung und Sparten übergreifender Weiterentwicklung durch die parallele Mitverlegung verschiedener Medien. Baubeginn war im April 2018. Läuft alles weiter nach Plan, wird der Bau der Haupttrassen und das Gesamtprojekt Mitte 2024 fertig gestellt.

Sparten übergreifendes Infrastrukturprojekt

Mit dem „Regionalen Verbundsystem Westeifel“ macht die LWE die Region Westeifel fit für die Zukunft: Kernstück des Projekts ist der Neubau einer integrierten, rund 80 km langen Nord-Süd-Trasse, ergänzt durch eine rund 45 km lange Ost-West-Trasse. Neben der Transportleitung für Trinkwasser in der Dimension DN 300 werden, je nach Abschnitt, verschiedene Sparten wie Erdgas, Biogas oder Glasfasernetze mitverlegt.

Die Nutzung der topografischen Gegebenheiten reduziert dabei den Energieeinsatz für die Trinkwasserversorgung um rund 1 Mio. kWh. Durch den Einsatz von Turbinen werden die LWE sogar rund 0,5 Mio. kWh Strom pro Jahr über das Trinkwassersystem erzeugen. Durch die Einbindung regionaler regenerativer Erzeugungsanlagen und durch die intelligente Steuerung relevanter Verbraucher, schafft das Projekt zudem wichtige Voraussetzungen für einen Energieabgleich in der Region und leistet einen Beitrag für den regionalen Klimaschutz und die Strukturentwicklung.

Trassenverlauf Stand 06/2023

Trassenverlauf Stand 06/2023.

Projektumsetzung bis Mitte 2024

Nach einer intensiven Planungs- und Genehmigungsphase startete der Leitungsbau im April 2018. Die Umsetzung der zahlreichen Einzelabschnitte ist bis 2023 geplant. In Zusammenarbeit mit der zuständigen Genehmigungsbehörde SGD Nord sind die Genehmigungsverfahren inzwischen weitestgehend abgeschlossen. Darüber hinaus wurde das Projekt um eine Ost-West-Trasse erweitert, wodurch die Infrastruktur von zwei weiteren Verbandsgemeinden bei der Neukonzeptionierung der Wasserversorgung berücksichtigt und gleichzeitig mehrere Biogasanlagen im südlichen Projektgebiet miteinander vernetzt wurden. Das Umweltministerium des Landes Rheinland-Pfalz fördert das „Regionale Verbundsystem Westeifel“ konkret mit dem Aufbau des Wasserverbundsystems mit insgesamt rund 32 Mio. Euro. 2015 wurde das Projekt im Rahmen des bundesweiten Innovationswettbewerbs „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen” ausgezeichnet.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels müssen sich insbesondere strukturschwache ländliche Räume zukunftsfähig aufstellen und damit Perspektiven für junge Menschen schaffen. Und genau hier bietet das Projekt viele Vorteile für die Region, wie z. B.:

  • Von der Westeifel bis Trier profitieren durch das Großprojekt rund 250.000 BürgerInnen von einer bezahlbaren Energie- und Wasserversorgung.
  • Das im Rahmen des Projektes verlegte Glasfasernetz schafft die Voraussetzung für einen schnellen Internetanschluss für Gewerbekunden und potenziell für bis zu 27.000 Haushalte.
  • Die Steuerung der kritischen Infrastruktur „Trinkwasser“ erfolgt über die eigene Glasfaserleitung.

Konkrete Vorteile des Verbundprojekts

Beispiel Trinkwasserversorgung

Das geplante Trinkwasserverbundsystem verbindet leistungsstarke Gewinnungs- und Aufbereitungsanlagen zwischen der Oleftalsperre in der Nordeifel und der Riveristalsperre im vorderen Hunsrück. Die neue Transportleitung sorgt so für ein Höchstmaß an Versorgungssicherheit für alle Projektpartner und erlaubt darüber hinaus die Nutzung des Dargebots über die Grenzen der Verbandsgemeinde hinaus. Das bedeutet ganz konkret: Die kommunalen Versorgungsunternehmen können auf kostenintensive und schwer zu schützende kleinere Gewinnungsanlagen verzichten und auf größere Gewinnungsanlagen mit gut ausgewiesenen Trinkwasserschutzgebieten zurückgreifen. Denn: neben der Quantität spielt natürlich auch die Qualität des Trinkwassers bei dem Projekt eine entscheidende Rolle. So können durch gezielte Auslastung der modernen Aufbereitungsanlagen der Projektpartner die hohen Anforderungen der Trinkwasserverordnung auch langfristig sichergestellt werden.

Auch wenn die Bauarbeiten für das regionale Verbundsystem in der Westeifel noch nicht abgeschlossen sind, hat das Projekt seinen Wert bereits unter Beweis gestellt: Neben den neuen Leitungen verbindet das Verbundsystem künftig unterschiedliche Gewinnungsanlagen und eröffnet den beteiligten Versorgungsunternehmen neue Handlungsmöglichkeiten. So war es nach der verheerenden Flut im Juli 2021 innerhalb kurzer Zeit möglich, die vom Trinkwassernetz abgeschnittenen Gemeinden Nattenheim und Fließem über ein anderes Wasserwerk zu versorgen. Ohne das Verbundnetz wäre die schnelle Wiederherstellung der Trinkwasserversorgung nicht möglich gewesen.

Hydrogeologisches Grundwassermodell
Zur langfristigen Sicherung der Grundwasserressourcen haben die kommunalen Wasserversorger unter Federführung der LWE ein hydrogeologisches Grundwassermodell für die Bitburg-Trierer Mulde erarbeitet und mit der SGD Nord und den beteiligten Landesämtern für Umwelt sowie Bergbau und Geologie abgestimmt. Die Untersuchungen bestätigen, dass es an einem zentralen Standort ein sehr gutes Grundwasserdargebot mit qualitativ hochwertigem Rohwasser gibt. Um die Aufbereitungskapazität an diesem Standort zu erhöhen, steht jetzt eine deutliche Erweiterung des Wasserwerks an: Bis 2024 investieren die LWE 14 Mio. Euro in den Ausbau des Standorts. Neben neuen Aufbereitungsfiltern ist auch eine spezielle Enthärtungsanlage geplant, um das vergleichsweise harte Tiefengrundwasser aus dem artesischen Brunnen mit dem Wasser der anderen
Gewinnungsgebiete abzugleichen.

Effizienz durch Umkehrung der Fließrichtung
Aktuell wird das Trinkwasser innerhalb der Versorgungsgebiete der jeweiligen Projektpartner durch Pumpen in Hochbehälter gefördert, um einen ausreichenden Netzdruck zur Verfügung zu stellen. Durch das geplante Verbundnetz reicht die zusätzliche Menge von nur 1 Mio. m3 Wasser pro Jahr aus der Oleftalsperre in Nordrhein-Westfalen – bei einer Gesamtabgabe von 21 Mio. m³ pro Jahr für den gesamten Projektraum – aus, um rund 1 Mio. kWh Pumpenergie pro Jahr einzusparen.

Hintergrund
Betrachtet man das Höhenprofil im Projektgebiet zwischen Trier und dem höchsten Punkt im Norden des Projektraumes, könnte man vereinfacht sagen, dass die Fließrichtung des Wassers umgekehrt wird. Statt Trinkwasser von Süd nach Nord zu pumpen, nutzt das Projekt den natürlichen Geländeverlauf, rund 450 m Gefälle, um das Trinkwasser von Nord nach Süd fließen zu lassen.

Stromerzeugung im Wassernetz
Das Höhenprofil der Trasse mit einem Unterschied von rund 450 m zwischen der NRW-Grenze und dem südlichen Versorgungsgebiet an der Mosel erlaubt darüber hinaus sogar den Einsatz von Turbinen, bzw. rückwärts laufenden Pumpen im Trinkwassernetz, um Strom zu erzeugen. Nach dem derzeitigen Planungsstand sollen vier Turbinen bzw. rückwärts laufende Pumpen an drei Standorten installiert werden. So kann die LWE jährlich über 500.000 kWh Strom pro Jahr im Trinkwassernetz erzeugen.

Intelligente Steuerung
Das Projekt betrachtet zudem auch die Nutzung der Lageenergie der vorhandenen Infrastruktur als Energiespeicher. Was heißt das konkret? Vorhandene Hochbehälter sollen genutzt werden, um die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in der Region anteilig auszuregeln. Viele der über einhundert in der Region befindlichen Trinkwasserbehälter (Speichervolumen insgesamt etwa 110.000 m³) werden derzeit rein nach Wasserbedarf geführt, das heißt, gefüllt und entleert. Ziel des Projekts ist es, die Pumpenergie zur Befüllung der Behälter dann einzusetzen, wenn Überschussstrom aus regionalen erneuerbaren Energien vorhanden ist. Neben den Aspekten der Versorgungssicherheit berücksichtigt das Projekt somit auch die aktuelle Situation am Stromerzeugungsmarkt.

Beispiel Perspektive für regionales Biomethan

Im gesamten Projektgebiet befinden sich derzeit 48 Biogasanlagen. Zum Vergleich: Diese Biogasanlagen erzeugen zusammen doppelt so viel Energie, wie die Stadt Bitburg, inkl. ihrer großen Brauerei, benötigt. Die Verstromung des Biogases erfolgte aufgrund der Gesetzgebung (EEG) nicht bedarfsgerecht, sondern dezentral rund um die
Uhr. Auch die dabei entstehende Wärme wird nicht optimal genutzt. Im Rahmen des Projekts wurden bereits sieben Anlagen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch ein eigenes Biogasnetz verbunden und über das eigene Glasfasernetz gesteuert. Das Biogas wird zentral am Flugplatz in Bitburg aufbereitet und in das Erdgasnetz eingespeist. Die Aufbereitungsanlage der neu gegründeten Biogaspartner Bitburg GmbH ist im Sommer 2020 in Betrieb gegangen (Abb. 1).

Aktuell gibt es zwei Erdgaskonzessionäre im Projektgebiet. Eine Verbindung zwischen deren Netzen besteht nicht. Im Zuge der Entwicklung des Verbundsystems Westeifel sollen diese Erdgasnetze miteinander verbunden werden. Durch die Verbindung der vorgelagerten Erdgashochdrucknetze schafft das Projekt eine redundante Einspeisesituation, was sich ebenso positiv auf die Versorgungssicherheit auswirkt. Das Gashochdrucknetz bietet zudem eine Speichermöglichkeit im Sommer, um aufbereitetes Biomethan für die Heizperiode nutzbar zu machen. Dann soll das aufbereitete Biomethan in gasbetriebenen Blockheizkraftwerken, unter Nutzung energieeffizienter Kraft-Wärme-Kopplung, zum Einsatz kommen. Der erzeugte Strom dient der Kompensation fehlender PV-Erzeugung. Somit leistet das Projekt einen Beitrag zum übergeordneten Ziel „Klimaschutz“ unter Nutzung der regional vorhandenen Biogasressourcen.

Biogasaufbereitungsanlage am Standort Bitburg

Biogasaufbereitungsanlage am Standort Bitburg.

Höchst innovative Lösung im ländlichen Raum

Das Verbundnetz ist ein bundesweit einmaliges Projekt (geplante Gesamtkosten circa 90 Mio. Euro) unter Federführung der LWE, einem Zusammenschluss der sieben kommunalen Projektpartner ‚Kommunale Netze Eifel AöR‘, ‚Eifelkreis Bitburg-Prüm – Wasserversorgung Eifelkreis Bitburg-Prüm‘, ‚Zweckverband Wasserwerk Trier-Land‘, ‚Zweckverband Wasserwerk Kylltal‘, ‚Stadt Bitburg – Eigenbetrieb Stadtwerke Bitburg‘, ‚Südeifelwerke Irrel AöR‘ und die ‚Verbandsgemeinde Speicher‘. „Unser Ziel ist die innovative Weiterentwicklung der Infrastruktur in unserem ländlichen Raum durch eine integrierte Energie- und Wasserversorgung“, so der LWE-Vorstand.

Zum Stand September 2022 sind etwa 90,0 km Verbundnetztrasse verlegt worden. Die Trassenlängen für die einzelnen Versorgungssparten sind: 115,3 km Trinkwasser, 133,7 km LWL, 48,0 km Biogas und 30,3 km Gas. Die Bauarbeiten laufen bislang im Zeit- und Kostenplan (Abb. 2).