Für jede Bettung das passende Guss-Rohrsystem

 

Beim Aufbau der städtischen Trinkwasserversorgung vor 150 Jahren bildeten Gussrohre den Grundstock. Auf die steigenden Anforderungen der Anwender an Wirtschaftlichkeit und Dauerhaftigkeit bei gleichzeitig zunehmenden chemischen und mechanischen Belastungen antwortete eine innovative Gießerei-Industrie mit ausgefeilten Lösungen.

Schutz gegen äußere chemische Einflüsse

Bitumenlack, Zink, Zink-Aluminium

In den 1960er Jahren wurde das gesundheitlich begründete Verbot von Teer wirksam und führte zum Einsatz von Bitumenlacken. In aggressiven Böden reichte der Außenschutz „Bitumenlack“ nicht mehr aus und wurde Anfang der 1970er Jahre durch das System „Zink plus bituminöse Deckbeschichtung“ ersetzt. Anfänglich bestand es aus einer Auflage von metallischem Zink von 130 g/m² mit einer mindestens 70 µm dicken Schicht aus Bitumenlack, später wurde diese Zink-Auflage auf 200 g/m² erhöht. Um 2000 kam dann eine Zink-Aluminium-Auflage von 400 g/m² hinzu, deren Deckschicht aus einem Epoxidharz-Lack besteht.

Die Schutzwirkung basiert auf der Stellung von Eisen und Zink in der elektrochemischen Spannungsreihe der Metalle. Diese Schutzwirkung greift in den meisten Fällen, nämlich dann, wenn der pH-Wert des Bodenelektrolyten über 6,5 liegt. In Moor- und Marschböden mit ihren sauren Wässern ist der Schutzmechanismus unterbunden. Für diese Böden wurden Dickbeschichtungen entwickelt, die als Barriere wirken und das Eisen vom Bodenelektrolyten mit einem sehr hohen elektrischen Widerstand trennen. Die Tabelle zeigt die für Guss-Rohrsysteme in Europa genormten Umhüllungen.

Die als elektrochemische Barriere wirkenden Beschichtungen der Nummern 1 bis 5 sind in Böden jeglicher Art einsetzbar, müssen allerdings poren- bzw. verletzungsfrei eingebaut sein.

Kathodische Schutzwirkung des Zinks an Verletzungen der Schutzschicht.

Kathodische Schutzwirkung des Zinks an Verletzungen der Schutzschicht.

Außenschutzarten duktiler Guss-Rohrsysteme.

Außenschutzarten duktiler Guss-Rohrsysteme.

Zementmörtel

Eine Zwitterstellung nimmt die Umhüllung aus faserarmiertem Zementmörtel nach EN 15542 ein. Sie ist 5 mm dick und wird auf das verzinkte Rohr mit einer organischen Haftgrundierung aufgetragen. Bei einem polymer-modifizierten Mörtel kann die Haftgrundierung entfallen. Beide Varianten können in allen Böden eingesetzt werden. Die Zementmörtel-Umhüllung ist mechanisch äußerst robust und hat sich vor allem bei den grabenlosen Einbauverfahren bewährt, wo häufig unbemerkt scharfkantige Hindernisse in der Rohrtrasse liegen. Aber auch beim Einbau in alpinem Gelände, wo das Heranfahren von Bettungssand fast unmöglich ist, kann der Grabenaushub mit seinen groben und scharfkantigen Steinen und Felsbrocken direkt wieder eingebaut werden.


Boden-Rohr-System

Als Mitte der 1980er Jahre die grundlegenden Entwicklungen moderner Korrosionsschutz-Systeme von erdüberdeckten Stahl- und Gussrohrleitungen zu ihrem vorläufigen Ende kamen, waren auch die Erfahrungen über den optimalen Schutz in den unterschiedlichen Böden so weit gediehen, dass man ein eigenständiges Regelwerk zu diesem Themenkomplex entwickeln konnte. Hierzu gehört in erster Linie die Bestimmung der Korrosionswahrscheinlichkeit unlegierter Eisenwerkstoffe in Abhängigkeit von den wichtigsten Bodenparametern mit dem DVGW-Arbeitsblatt GW 9 „Beurteilung der Korrosionsbelastungen von erdüberdeckten Rohrleitungen und Behältern aus unlegierten und niedrig legierten Eisenwerkstoffen in Böden“. Nach 14 Jahren Erfahrung mit der Anwendung dieses Merkblattes konnte die DIN 50929-3 „Korrosion der Metalle – Korrosionswahrscheinlichkeit metallener Werkstoffe bei äußerer Korrosionsbelastung – Teil 3: Rohrleitungen und Bauteile in Böden und Wässern“ veröffentlicht werden.

Die Erfahrungen aus der Anwendung des DVGW-Arbeitsblattes GW 9 schlugen sich dahingehend darin nieder, dass von den Bestimmungsgrößen nur die übernommen wurden, die sich in der Praxis als bestimmbar erwiesen. Der Bodenzustand wurde schärfer definiert und aufgrund der Erfahrungen stärker gewichtet. Ebenso wurden die Parameter stärker gewichtet, die für sich allein eine sehr große Korrosivität bewirken: Böden mit hohem Gehalt an organischen Stoffen, Verunreinigungen durch Brennstoffasche, Müll, Schutt, Abwässer sowie Kohlestücke und Koks.


Systemanalyse

Nachdem sich die Einstufung eines Bodens mithilfe einer Art Systemanalyse etabliert hatte, fehlte als Bindeglied zu den eingangs erwähnten Schutzarten metallischer Rohrleitungen nur noch eine Technische Regel, mit der man die Bodenaggressivität in der Umgebung einer Rohrtrasse einer dazu passenden Rohrumhüllung zuordnen konnte. Dies war die DIN 30675-2 für duktile Gussrohre. Bei ihrer Revision im Jahre 1993 wurden die Einsatzbereiche der verschiedenen Umhüllungen um den Begriff der korrosionsschutzgerechten Bettung erweitert. Damit wird dokumentiert, dass neben der Umhüllung auch die Bettung einer Rohrleitung Teil des passiven Korrosionsschutzsystems ist und bei der Klassifizierung der Einsatzbereiche zu berücksichtigen ist. 2019 erfolgte eine zweite Überarbeitung der DIN 30675-2.

Die richtige Wahl des Außenschutzes duktiler Guss-Rohrsysteme gegenüber chemischen Angriffen ist in einem in sich geschlossenen Technischen Regelwerk relativ einfach, vor allem dann, wenn sich bei Betrachtung der örtlichen Gegebenheiten herausstellt, dass die Trasse erkennbar mit organischen Beimengungen verunreinigt ist.

Schutz bei mechanischen Belastungen

Das System duktiler Gussrohre, Formstücke und Armaturen ist von sich aus schon sehr robust und benötigt keinen besonderen mechanisch wirksamen Außenschutz, es sei denn, die örtlichen Gegebenheiten verlangen einen hochwertigen Schutz gegen Korrosion.

Die sich inzwischen abzeichnende Verknappung von Sand als Bettungsmaterial hat bei der Überarbeitung der EN 1610 dazu geführt, dass bei den angelieferten Baustoffen erstmals Recycling-Baustoffe zugelassen wurden. Auch ist der Wiedereinbau des anstehenden Bodens erlaubt, sofern er keine Bestandteile enthält, die das Rohr schädigen könnten.


Zementmörtel-Umhüllung

In diesem Sektor hat sich die Zementmörtel-Umhüllung nach EN 15542 durchgesetzt, die in allen Böden der Klassen I bis III eingesetzt werden kann. Zusätzlich erlaubt diese äußerst robuste Umhüllung eine Bettung in Böden mit Steinen bis 100 mm Korngröße, wie es im Anhang G des DVGW-Arbeitsblattes W 400-2 beschrieben ist.

Der Einsatz duktiler Gussrohre mit einer Zementmörtelumhüllung ist aus mehreren Gründen als nachhaltig zu bezeichnen:

1. Die Wiederverwendung des Grabenaushubs erspart sowohl seinen Abtransport als auch den Antransport von Bettungssand, wodurch zusätzlicher LKW-Verkehr einschließlich der damit verbundenen CO2-Emissionen vermieden wird. Beim Bau von Wasserleitungen im alpinen Gelände für Turbinenleitungen und Beschneiungsanlagen ist der Materialtransport stark eingeschränkt und oft technisch beinahe unmöglich. In diesen Fällen ist die Umhüllung nach EN 15542 so robust, dass eine Bettung im anstehenden Felsgeröll geübte Praxis ist.

2. Die Bettung in grobem Schotter eröffnet dem duktilen Gussrohr mit einer Umhüllung aus Faserzementmörtel eine völlig neue Anwendungsvariante: beim Schwammstadtprinzip kann ein mit grobem Schotter gefüllter Rohrgraben als linearer Zwischenspeicher für Regenwasser aus Starkregenereignissen genutzt werden, das den Bäumen des städtischen Grüns über einen verlängerten Zeitraum zur Verfügung steht. Die nachgewiesene Wurzelfestigkeit der Gussrohrverbindung erlaubt dabei einen Baumstandort direkt auf der Rohrtrasse. Bei dieser Anwendung ergeben sich gleichzeitig zwei klimawirksame Effekte:

– Vermeidung von Überschwemmungen durch Zwischenspeicherung von Regenwasser.
Verbesserte Wachstumsbedingungen von Straßenbäumen mit der damit verbundenen Verbesserung des Mikroklimas
 durch die vergrößerte Verdunstungsleistung ihrer besser ausgebildeten Kronen.

3. Die Entwicklung der grabenlosen Einbau- und Erneuerungsverfahren ist maßgeblich von duktilen Gussrohren mit längskraftschlüssiger Verbindung beeinflusst worden. Hier kann man eigentlich von einer Bettung mit mehr oder weniger unbekannten Eigenschaften sprechen. In einem mit Bentonit gestützten Bohrloch kann so ziemlich alles vorkommen, was einem dort durchgezogenen Rohr widerfahren kann, wie etwa spitze Steine, scharfkantige Fundamentreste, Graugussscherben im Fall des Berstlinings, etc. Duktile Gussrohre mit Zementmörtel-Umhüllung haben sich für diese Verfahren mit „unbekannter Bettung“ auf ganzer Linie durchgesetzt.

Die technischen Lösungen zum äußeren Schutz duktiler Guss-Rohrsysteme vor chemischen und mechanischen Beanspruchungen zeigen, dass der nachhaltige Bau von Leitungen für Wasser und Abwasser mit jeglichem Bettungsmaterial möglich ist.

Das Schwammstadt-Prinzip im Straßenraum.

Das Schwammstadt-Prinzip im Straßenraum.

Autor:
Dr. Jürgen Rammelsberg, EADIPS®/FGR®

 

Der Beitrag wurde von der Redaktion leicht gekürzt. Den kompletten Beitrag mit diversen Abbildungen finden Sie als PDF im Downloadbereich unter Downloads Jahreshefte EADIPS FGR.