55 km Trinkwasserleitung über 550 Höhenmeter
Leitungstrasse in der Mongolei mit extremen Herausforderungen
Extreme Temperaturen, herausfordernde Steigungen und eine Transportlogistik, die aufgrund der Abgeschiedenheit der Baustelle ihre Tücken hat: Das alles erwartet den Gussrohrhersteller Tiroler Rohre (TRM) in der Mongolei, wo das Unternehmen die Trinkwasserversorgung der 30.000-Einwohner- Stadt Altai durch eine 55 km lange Trinkwasserleitung herstellt, die 500 Höhenmeter überwinden muss. Die Bedingungen stellen nicht nur hohe Anforderungen an das projektleitende Team, sondern besonders auch an die Logistik, die Verlegung und das Rohrmaterial selbst. Schließlich müssen die Gussrohre stellenweise Drücken von 50 bar und seismischen Aktivitäten standhalten.
Territorial knapp viereinhalbmal so groß wie Deutschland, ist die Mongolei mit rund 3 Mio. Einwohnern der am dünnsten besiedelte Staat der Welt. Knapp die Hälfte der Bevölkerung konzentriert sich auf die Hauptstadt Ulaanbaatar, der Rest des Landes ist geprägt von der Weite der Landschaft. Deren Kargheit wird in ihrem Extrem noch von den Witterungsverhältnissen überboten: Die Lage im zentralasiatischen Hochland beschert dem Land im Winter Tagestemperaturen von – 40 °C, im Sommer + 30 °C, womit die Schwankungen zwei- bis dreimal größer sind als in Westeuropa. Die Enge des Zeitfensters für infrastrukturelle Bauprojekte lässt sich somit gut erahnen. Doch mit ausgefeilter Planung lässt sich auch diese Herausforderung meistern, wie das jüngste internationale Projekt des Traditionsunternehmens Tiroler Rohre GmbH mit Sitz in Hall in Tirol beweist. Der Gussrohrhersteller errichtet derzeit eine rund 55 km lange Trinkwasserleitung von einem Speichersee zur Versorgung der Provinzhauptstadt Altai. „Wir liefern und verlegen die Rohre inklusive Wasseraufbereitung und Pumpstationen“, erläutert Andreas Weiler, Vertriebsleiter International der TRM und Projektverantwortlicher.
Die bis zu -40 °C, die im mongolischen Winter herrschen und den Boden bis in 3,5 m Tiefe gefrieren lassen, machen es notwendig, die Rohre 4 m tief zu verlegen.
Transport stellt größte Herausforderung dar
In vielen Ländern Zentralasiens ist Wasser ein rares Gut. Auch die Mongolei steht bei der Sicherung ihrer Frischwasserressourcen vor enormen Herausforderungen. Für die Trinkwasserversorgung der 30.000 Einwohner zählenden Stadt Altai suchte man sich deswegen erfahrene Spezialisten für geologisch anspruchsvolle Baustellen und das dazugehörige äußerst strapazierfähige Material.
Fündig geworden ist man bei den Experten von TRM, die im Spätsommer letzten Jahres mit der Projektplanung begonnen haben. Als Generalunternehmer ist die TRM für die Lieferung sämtlicher Materialien, wie zum Beispiel duktile Gussrohre in der Nennweite DN 250, sowie für die Planung, die Bauarbeiten und die Bauüberwachung gesamtverantwortlich. Für die Planungsarbeiten, die Bauüberwachung und Projektbegleitung konnte mit der Firma ÖSTAP Engineering & Consulting aus Wien ein erfahrener Partner gewonnen werden.
Die wohl größte Hürde beim Bau der Trinkwasserleitung ist die Logistik: Der Transport vom Werk in Tirol bis zur Baustelle, mit zum Teil unbefestigten Straßen, stellt einen erheblichen Aufwand in der Abwicklung für den Transporteur dar. Hier konnte die hinzugezogene Spedition Strieder mit ihrer langjährigen Erfahrung beim Transport von duktilen Gussrohren die beste Lösung bieten: Per Bahn geht es für die Rohre in die mongolische Hauptstadt Ulaanbaatar, danach per Lkw über teils unbefestigte Straßen weiter bis zur Baustelle. Teilstrecken des Transportes, insgesamt knapp 1.000 km, begleitete Andreas Weiler. „Außer der Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn habe ich nichts ausgelassen“, erzählt der Projektleiter lachend.
Gussrohre müssen Erdbeben standhalten
Das Wasser für die Trinkwasserversorgung wird aus dem Stausee nahe des Ortes Taishir entnommen, aufbereitet und über 500 Höhenmeter zur 2.200 m hoch gelegenen Stadt Altai gepumpt. Die Anforderungen an das Material sind dabei enorm. Auf Grund des großen Höhenunterschiedes steigt der Druck in der Leitung stellenweise auf über 50 bar. „Dieser hohe Druck kann mit den Gussrohren sehr gut abgefedert werden, bei anderem Material müsste man Druckreduzierungsstufen einbauen“, erklärt Andreas Weiler. Dass diese Anforderungen nicht von jedem Material erfüllt werden, wurde in einer Vorstudie bestätigt – Gussrohr hat sich als die beste Lösung erwiesen. Die Mongolei liegt in einem seismisch sehr aktiven Gebiet, Erdbeben sind häufig. Äußerst wichtig ist daher, dass die Verbindungen der Gussrohre Erschütterungen und Bewegungen aufnehmen können.
Enges Zeitfenster für die Bauarbeiten
Man kann sich vorstellen, dass die Höhendistanz eine große Herausforderung darstellt, doch auch das extreme Klima tut ein Übriges. Konnten im Herbst 2018 noch einige Vorarbeiten erledigt werden, hieß es sehr bald: warten. Denn der Winter in der Mongolei dauert. Bis auf den Monat Juli kann man zumindest nachts das ganze Jahr über mit Bodenfrost rechnen, das zeitliche Korsett für den Bau ist dementsprechend eng geschnürt und lässt nur Handlungsspielraum von Mai bis Oktober. Die bis zu – 40 °C, die den Boden bis in 3,5 m Tiefe gefrieren lassen, machen es notwendig, die Rohre 4 m tief zu verlegen. Auch die Gefriertiefe des Speichersees ist größer, als man es aus Mitteleuropa gewöhnt ist: Die Wasserentnahme erfolgt in 14 m Tiefe.
Die Witterung hält nicht nur extreme Temperaturen bereit, auch Sandstürme erschweren die Bauarbeiten. „Gerade bei der Rohrmontage ist es wichtig, dass alles so sauber wie möglich ist, damit die Dichtung in der richtigen Position sitzt. Wenn die Muffen total verstaubt und voller Sand sind, müssen diese gereinigt werden“, erzählt der Projektleiter vom zusätzlichen Aufwand, der durch die mongolischen Wetterphänomene entsteht.
Die Mongolei liegt in einem seismisch sehr aktiven Gebiet, Erdbeben sind häufig. Äußerst wichtig ist daher, dass die Verbindungen der Gussrohre Erschütterungen und Bewegungen aufnehmen können.
Die Fertigstellung ist in Sicht
Derzeit sind die Bauarbeiten in vollem Gange und sollen Mitte des nächsten Jahres abgeschlossen werden, wodurch dann eine Versorgung mit reinem Trinkwasser für rund 30.000 Menschen sichergestellt ist. Derzeit wird die Bevölkerung mit Wasser unbekannter Qualität aus Tiefbrunnen versorgt. Das gesamte Projekt, mit einem Auftragsvolumen von 14 Mio. Euro, wird durch einen österreichischen Entwicklungshilfekredit finanziert.
Autorin:
Patricia Pfister, Fachmagazin zek kommunal