Coolere Städte – ein guter Grund
Ökologische Lösung für Klimaprobleme in Innenstädten
Nirgendwo anders sind die Klimaerwärmung und die damit ansteigenden Temperaturen so deutlich zu spüren wie in unseren Städten. In den Sommermonaten kühlen sich die mit Asphalt und Beton versiegelten Böden nicht ab, bei Starkregen können sie kein Wasser aufnehmen. Die Folgen sind Hitzeinseln im Sommer, Überflutungen und voll gelaufene Keller bei Regen. So wird das Leben in den Städten nicht nur schwieriger, sondern auch ungesünder.
Es gibt gute Gründe, die städtischen Infrastrukturen an die Anforderungen, die sich durch den Klimawandel ergeben, anzupassen. Im Fokus sollte dabei stehen, dass Produkte, Techniken und Bauweisen eingesetzt werden, die sowohl den in Zukunft geltenden technischen Anforderungen als auch den in Zukunft geltenden Anforderungen an Wiederverwendbarkeit, Kreislauffähigkeit und einer CO2-neutralen Produktion entsprechen.
Coolere Städte – Die Schwammstadt
Ein Synonym, das zum einen für einen veränderten, wassersensiblen Umgang mit Niederschlagswasser in der Stadt und zum anderen für einen stärkeren Einsatz von kühlender Vegetation im städtischen Umfeld steht, ist „Die Schwammstadt“. Anschaulich beschrieben wird dieses Schwammstadt-Prinzip in einer Veröffentlichung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung [1]. U.a. heißt es dort: „Ein Aspekt, der sowohl für die Hitzevorsorge als auch für ein naturnahes Regenwassermanagement in den Städten an Bedeutung gewinnt, ist die Kühlleistung von Böden und Vegetationsflächen. Grünflächen, die ausreichend mit Wasser versorgt sind, sind natürliche „Kühlschränke“ der Stadt. Diese Kühlleistung kann durch die Speicherung von Regenwasser, bodenverbessernde Maßnahmen und kontinuierliche Versorgung der Vegetation mit Wasser gesteigert werden. Die Förderung des „Schwammstadt-Prinzips“ und die Entwicklung nachhaltiger Speicher- und Bewässerungssysteme sind daher zentrale Zukunftsaufgaben für klimaangepasste Städte.“
Das Schwammstadt-Prinzip im Straßenraum.
Die Kühlleistung von Böden und Vegetationsflächen soll dabei über die Verdunstung von Wasser in Form von Verdunstungskälte durch die Pflanzen sichergestellt werden. Die Verdunstungshöhe bewachsener Flächen ist dabei abhängig von der Pflanzenart, der Wachstumsphase und dem Bedeckungsgrad. In Tabelle 1 ist die Größenordnung der jährlichen Verdunstungshöhe für einige Pflanzenarten beispielhaft angegeben. Dabei ist gut erkennbar, dass im städtischen Umfeld Laub- und Nadelbäume das größte Potenzial haben, Städte zu kühlen. Weiterhin wurde bereits im Jahre 2006 beispielhaft aus Sicht eines großen Kanalnetzbetreibers in Deutschland betrachtet, wie die prozentuale Verteilung von befestigten Flächen im städtischen Umfeld aussieht und in welchen Ortslagen (Tabelle 2) das größte Abkopplungspotenzial zu erwarten ist [2].
Diese Betrachtungen haben aber nicht dazu geführt, dass großflächig Straßenflächen und Dachflächen, z. B. in Anliegerstraßen (vgl. Tabelle 2), abgekoppelt wurden. Dies geschah aber dann im Zusammenhang mit der Optimierung von Baumstandorten in Stockholm. Dieses Beispiel für die Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips unter Einsatz von Stadtbäumen wurde 2008 in [3] mit einem Schwerpunkt auf die Optimierung von Baumstandorten dargestellt. Die im Handbuch „Pflanzgruben in Stockholm“ [4] dargestellte Bauweise diente als Blaupause für Umsetzungsbeispiele in den österreichischen Städten Graz [5] oder Wien [6].
Tabelle 1: Mittlere Evaporationsleistungen verschiedener Pflanzen
(Harlaß 2008; aus Wohlrab et al. 1992, Larcher 2001, DWA 2002)
Tabelle 2: Referenz-Abkopplungspotenziale
Boden-Rohrsystem – BoRSiS
Die weitergehende Umsetzung des Schwammstadt-Prinzips im Straßenraum verfolgt das von der EADIPS FGR initiierte Projekt „BoRSiS – Boden-Rohr-System als innovatives Element der klimaangepassten Stadtentwässerung“ [7], das am 1. Oktober 2021 an den Start ging.
Anders als bei vielen Starkregen- und Klimaanpassungsprojekten mit Pilotcharakter soll in diesem Forschungsvorhaben ein marktfähiges und praxisnahes Speicherkonzept entwickelt werden. Aus diesem Grund werden von Beginn an Industrievertreter, ein Baumökologe sowie eine Kommune in das Projekt eingebunden. Neben wasserwirtschaftlichen und geotechnischen Fragestellungen werden auch ökonomische (Kosten-Nutzen-Analysen, Fragestellungen zur Abwassergebühr bei gemeinsamer öffentlicher und privater Nutzung) und ökologische Aspekte (Anforderungen durch die Bäume, Analyse der Wirksamkeit) mitberücksichtigt. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit soll ein ganzheitlicher und innovativer Lösungsansatz entwickelt werden, dessen reale und praxisnahe Umsetzbarkeit durch die Einbindung von Praxispartnern noch weiter erhöht wird.
European Green Deal
Durch die Veröffentlichung der neuen Wachstumsstrategie der Europäischen Kommission unter dem Titel „European Green Deal“ (vgl. Abbildung) wird die Erarbeitung des marktfähigen und praxisnahen Speicherkonzepts im Rahmen des F+E-Projekts „BoRSiS“ auch unter der Prämisse erfolgen, dass das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt werden muss. Dies ist möglich, weil die Mitglieder der EADIPS FGR die damit verbundene Kreislaufwirtschaft bereits leben.
Schwerpunkte des Europäischen Grünen Deals [9] mit „Mobilisierung der Industrie für eine saubere und kreislauforientierte Wirtschaft“.
Zusammenfassung und Ausblick
Coolere Städte – ein guter Grund: Städte auf der ganzen Welt müssen sich den Aufgaben stellen, die sich aus den Herausforderungen des Klimawandels ergeben. Wie durch ein Brennglas haben die Jahre 2019 und 2020 den Fokus – nicht überraschend – auf die Themen Wassermanagement und Hitzevorsorge gelenkt (vgl. [8]). Um dem entgegenzuwirken, wurden entsprechende Verfahren und Methoden aus unterschiedlichen Blickwinkeln von den jeweils „zuständigen“ Fachdisziplinen weitestgehend erforscht bzw. beschrieben. In den meisten Fällen orientieren sich die damit verbundenen Lösungsansätze nicht an dem technisch Machbaren, sondern an dem nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik verwaltungstechnisch Umsetzbaren.
Wie in [2] beschrieben, liegt ein großes wasserwirtschaftliches Potenzial im Bereich von Anliegerstraßen, wo Dachflächen und Straßenflächen abgekoppelt werden können. Der begrenzte unterirdische Raum und damit verbundene Nutzungskonflikte verhinderten die Aktivierung dieses Potenzials, so dass bis heute lediglich punktuell Einzelmaßnahmen umgesetzt wurden, wie beispielsweise der Einbau von Baumrigolen.
Das F+E-Projekt „BoRSiS – Boden- Rohr-System als innovatives Element der klimaangepassten Stadtentwässerung“, soll die Umsetzung beschleunigen. Auf der einen Seite können aus technischer Sicht durch den Einsatz von robusten und wurzelfesten Guss-Rohren bis heute ungenutzte Volumina im Leitungsgraben aktiviert werden. Auf der anderen Seite werden die bisherigen normativen und verwaltungstechnischen Restriktionen beleuchtet und zusammen mit Netzbetreibern und Regelwerksgebern Lösungen erarbeitet.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem verstärkten Einsatz von Produkten, die an ihrem Lebensende nicht nur recycelbar, sondern kreislauffähig sind. Forderungen, wie sie im Jahr 2019 mit der Veröffentlichung des Europäischen Grünen Deals als Wachstumsstrategie zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft in der EU beschrieben wurden, werden somit in ausreichender Weise Berücksichtigung finden.
Autoren:
Christoph Aigner und Christoph Bennerscheidt, EADIPS®/FGR® – European Association for Ductile Iron Pipe Systems/Fachgemeinschaft Guss-Rohrsysteme e.V.